Neuer Weg zu Ehren von Sprecherinnen-Legende Helli Stehle
Auf dem Areal des ehemaligen «Studio Basel» entsteht zwischen Marignano- und Schäublinstrasse ein neuer Verbindungsweg. Dieser wird der ersten Sprecherin von Radio Beromünster, der Basler Radiolegende Helene «Helli» Stehle gewidmet.
Als Helli Stehle sich 1967 bei Radio DRS pensionieren lässt, kann sie auf eine fast 40-jährige Karriere zurückblicken. Eine, die nicht nur eng mit dem Studio Basel verbunden war, sondern die Radiogeschichte Basels der ersten Jahrzehnte geprägt hat. Mit der Widmung des neu entstehenden Wegs auf dem Bruderholz wird die aussergewöhnliche Radiofrau nun gewürdigt.
Aufgewachsen in einem kulturaffinen Elternhaus, absolviert «Helli», geborene Helene Stehle (*6.12.1907) nach der Matura das Basler Konservatorium und lässt sich zur Schauspielerin ausbilden.
Noch vor ihrem Engagement am hiesigen Stadttheater (1929-1932), ist sie in der Hörspielgruppe des Studio Basel aktiv, wo sie Gedichte rezitiert und bei den damals ausschliesslich live produzierten Hörspielen mitwirkt. Notabene ohne Honorar, denn das noch ‘junge’ Radio hatte kein Geld, Mitarbeitende zu entlöhnen. «Aber zu trinken gab es», erzählt Helli Stehle in einem Baz-Interview anlässlich ihres 100. Geburtstags. Später wird sie sich auch als Hörspielregisseurin einen Namen machen.
Erste weibliche Sprecherin bei Radio Beromünster
Mit Beginn des zweiten Weltkriegs werden 1939 alle Sprecherkollegen eingezogen und die ausserordentliche Lage wird zur grossen Chance für die erfahrene Radiofrau - Helli Stehle wird die erste Ansagerin und Nachrichtensprecherin von Radio Beromünster.
Gleichzeitig sistiert der Bundesrat die Sendekonzession der SRG und das Radio wird bis im Sommer 1945 den staatlichen Behördern unterstellt. Die schwierigen Kriegsjahre prägen auch den Radioalltag auf dem Bruderholz: Der beachtliche Landanteil rund ums Studiogebäude wird - ebenfalls auf bundesrätliche Verordnung – zum Kartoffelacker. «Auch an Wochenenden blieben wir nicht davor verschont, von den Stauden Kartoffelkäfer abzulesen. Im Gegenzug hatten die Radiomitarbeitenden jedoch ihre Ration Kartoffeln auf sicher», blickt Helli Stehle auf die Kriegsjahre zurück.
Zur Chefsprecherin berufen, beginnt Helli Stehle in den 1950er-Jahren eine nachrückende Sprecher:innen-Generation auszubilden. Stehles aussergewöhnlicher Sprachsinn, gekoppelt mit ihrem hohen Anspruch auf Perfektion machte sie zur strengen, aber geschätzten Lehrerin. Beurteilt wurde oft von zuhause aus, quasi in der Rolle der gemeinen Radiohörerin. «Meine Schützlinge hatten bei Testmoderationen jeweils eine Hand am Regler, die andere am Telefon. Ständig rechneten sie mit meinem Anruf», wird sie zitiert.
Grossen Erfolg feiert Helli Stehle u.a. mit der Regiearbeit für die 1952 lancierte Mundart-Hörspielreihe «Vor hundert Jahren» von Autorin Gertrud Lendorff. Erzählt wird das Schicksal der Familien Wick und Sternenberger im Basel des 19. Jahrhunderts, in der noch Mauern und Tore die Stadt Basel umgaben und jeder jeden kannte. Bis ins Jahr 1971 folgen noch drei weitere Staffeln des beliebten Hörspiel-Klassikers.
Nach ihrer Pensionierung im Jahr 1967 widmet sich Helli Stehle ihrer Leidenschaft fürs Reisen und die Sprache(n). Bis ins hohe Alter bleibt sie zukunftsgewandt, geniesst das gesellige Beisammensein, besucht regelmässig ihr 'Studio Basel' und gönnt sich im viel gepriesenen, vom Ehepaar Gehrig geführten Personalrestaurant 'e guets Zmidaag'. Selbst ihren 100. Geburtstag feiert sie dort.
In ihrem 110. Lebensjahr stirbt Helli Stehle am 27. August 2017 als älteste Bürgerin ihrer Heimatstadt Basel.
Zum 100. Geburtstag von Helene «Helli» Stehle
«Schweiz aktuell»-Beitrag vom 6. Dezember 2007 von Simon Erny
Nachruf des Regionaljournals Basel Baselland auf Helli Stehle
Beitrag vom 28. August 2017 von DIeter Kohler
Quellen
- Beschluss des Justiz- und Sicherheitsdepartements Basel-Stadt betreffend Strassennahmen «Helli Stehle-Weg» vom 22. Oktober 2021
- Interview «Suchen Sie sich jüngere Freunde!» in der Basler Zeitung vom 3.12.2007
- Beobachter.ch, «Augenzeuge: Helli Stehle»
- Porträt im Radiomagazin vom 18.8.2001
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