«Streitpunkt SRG»: Service public über den Stadt-Land-Graben hinweg
Zu viel Stadt? Zu ländlich? SRF zwischen Stadt und Land. Das war das Thema der zweiten «Streitpunkt SRG»-Diskussion am Dienstag, 11. Juni 2024. Auf dem Podium diskutierten Catherine Alioth, Grossrätin BS (LDP), Maya Graf, Ständerätin BL (Grüne), Patrick Künzle, Leiter Regionaljournal Basel Baselland SRF und Baptiste Planche, Leiter SRF Fiktion. Moderiert wurde der Abend von Matthias Zehnder und Martina Rutschmann. Die zentrale Frage: Wie soll sich der mediale Service public in Bezug auf den Stadt-Land-Graben positionieren?
Wer ist Stadtkind, wer ist ein Landei? Im Publikum identifizierten sich die meisten Anwesenden als Stadtkind – und zwar auch solche, die auf dem Land aufgewachsen sind. Die Gäste waren sich einig, dass Spannungen zwischen den beiden Basler Kantonen bestehen. Sie stritten aber darüber, wie stark die Spannungen wahrgenommen werden und wie viel Aufmerksamkeit sie in den Medien bekommen sollten. Maya Graf und Catherine Alioth betonten im Verlauf des Abends, dass für sie die vielen Verbindungen und Verträge zwischen Stadt und Land wichtiger seien als allfällige Gräben. Vom Regionaljournal wünschten sie sich, dass es dies in der Berichterstattung mehr zum Ausdruck bringen solle. Baptiste Planche erwähnte, dass er in seiner Tätigkeit in der Verwaltung des Kanton Basel-Stadt mit Erstaunen entdeckte, dass solche Spannungen tatsächlich existieren.
Das Publikum war der Ansicht, dass in der Berichterstattung tendenziell vermehrt Themen der Stadt bevorzugt werden. Dies auch deshalb, weil Themen aus der Stadt als interessanter wahrgenommen werden. Berichte über Ereignisse im Kanton Basel-Landschaft und auch fiktionale Beiträge über das Land hätten einen gewissen «Jö»-Effekt. Baselland werde entsprechend nicht in dessen tatsächlicher kulturellen und wirtschaftlichen Bedeutung und Vielfalt wahrgenommen, so Maya Graf, sondern tendenziell stereotypisiert.
In der Berichterstattung stehen oft die Stadt und städtische Themen im Zentrum. In einem starken Gegensatz dazu steht, so Zehnder, das grosse Gewicht, welches ländliche Themen und Motive in der Selbstdarstellung der Schweiz haben. Die Schweiz sieht sich selbst als ländlich – Bilder wie Kühe, Berge und Bauernhöfe prägen die Identität von Schweizer:innen. SRF Serien wie «Neumatt» und «Tschugger» zahlen auf dieses Selbstbild ein und zählen weiterhin unter den erfolgreichsten Produktionen der Abteilung Fiktion – die Schweiz konsumiert also gerne Inhalte, die das Ländliche darstellen. Baptiste Planche erwiderte auf die Frage, ob in der Abteilung SRF Fiktion bewusst Serien und Filme zu ländlichen Themen gedreht werden, dass die Kategorien «Stadt» oder «Land» nicht existieren. Vielmehr versuche seine Abteilung, die Vielfalt der diversen Lebensrealitäten in der Schweiz darzustellen – und vor diesem Hintergrund möglichst spannende Geschichten zu erzählen.
Patrick Künzle gab zu, dass die Themenwahl der Berichterstattung sicherlich auch durch die Herkünfte der Journalisten und Journalistinnen des Regionaljournals geprägt sei. Der Grossteil der Mitarbeitenden komme aus der Stadt, was auch ihren Blick auf diese Region präge. Der Hinweis von Maya Graf, dass das Regionaljournal einen grösseren Fokus auf Baselland richten solle, der nicht den besagten «Jö»-Effekt auslöse, wurde von Patrick Künzle entgegengenommen. Jedoch sei es durchaus ein grosses Anliegen des Regionaljournals, die Region als Ganzes abzubilden und keine Präferenz für die Stadt zu spiegeln.
Die Diskussionen im Verlauf des Abends ergaben, dass ein Graben zwischen Stadt und Land durchaus existiert. Wie tief und gross dieser Graben jedoch ist, werde oft überspitzt dargestellt und wahrgenommen. Die Einschätzung davon ist auch stark dadurch geprägt, mit welchen Lebensrealitäten wir in Kontakt treten, die sich von den eigenen unterscheiden. SRF leistet mit den fiktiven Produktionen sowie auch der Berichterstattung einen Beitrag, um mehr Anknüpfungspunkte sicherzustellen. Dies möglichst realitätsgetreu umzusetzen, sei im Auftrag des medialen Service public enthalten.
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